Getreide als Darmschmeichler im Napf?
1770 war ein "schwarzes Jahr" für den Hafer: Es kam die Kartoffel nach Europa und verdrängte ein uraltes Getreide aus den Töpfen und Köpfen der Bewohner: den Hafer.
Hafer war jahrtausendelang das Urgetreide der Germanen und Kelten und unserer Vorfahren. In der Edda wurde der Hafer als Speise der Götter verehrt. Die Römer, deren Hauptgetreide Gerste und Weizen waren, benannten die Germanen als "Haferfresser" und den Hafer als "Barbarenfraß" – gleichwohl waren sie beeindruckt von den germanischen Bärenkräften und erstaunt, dass diese Völker das Gleiche äßen wie ihre Pferde (Plinius)(1).
Und schon Dioskurides (1. Jhd. nach Chr.) gab Kranken Haferbrei gegen Durchfall, bei Darmentzündung und er verordnete ihn gegen Husten. Pfarrer Kneipp setze sich zeitlebens für die Wertschätzung des Hafers ein, so überzeugt war er von dessen wohltuender Wirkung.
Doch als die Kartoffel kam, wurde der Hafer aus der menschlichen Ernährung weitestgehend verdrängt und landete fortan in den Futtertrögen von Masttieren und Pferden.
Wie sieht es nun mit dem Hafer bzw. den Haferflocken in der Hundeernährung aus? Ist er geeignet und wenn ja, was kann er zur Gesundheit deines Hundes beitragen?
Biologie und Verwendung des Hafers
Hafer (Avena sativa L.) ist ein Getreide und gehört zu den Süßgrasartigen. Das Gras wächst in ganz Mitteleuropa und benötigt regelmäßige Niederschläge. Unter den Getreidearten gilt Hafer als „Gesundungsfrucht“, da sich viele Getreideschädlinge in ihm nicht vermehren (2). Ernährungsphysiologisch ist Hafer die hochwertigste Getreideart, die in Mitteleuropa angebaut wird (3).
Verwendet werden die Körner als Hafergrütze, Haferschleim, Haferflocken und Haferkleie, aber auch das unreife Getreide als "Haferstroh" und "Grüner Hafer" wird als Tee zur Harmonisierung des Säure-Basen-Haushaltes, zur Verdauungsförderung und zur Linderung von Magen-Darm-Beschwerden verwendet.
Hafermehl wird aufgrund des geringen Glutengehalts des Korns nur selten zum Brotbacken verwendet.
Hafer und seine gesunden Inhaltsstoffe
Protein und Gluten im Hafer
Hafer enthält viel Protein – der Eiweiß-Gehalt beträgt zwischen 12 und 20 %. Der Gluten-Gehalt, besser gesagt Avenin-Gehalt ist jedoch gering, sodass Hafer häufig besser vertragen wird als bspw. Weizen – zumindest beim Menschen,
Zur Erläuterung: Gluten bezeichnet ein Gemisch aus getreidespezifischen Prolaminen und Gluteninen (Speicherproteinen). Das Prolamin in Hafer heißt Avenin, das im Weizen Gliadin. ………… Studien belegen, dass das Avenin im Hafer weniger immunologische Reaktionen auslöst als das Gliadin im Weizen (5).
Aminosäuren
Haferflocken enthalten die höchsten Werte aller für Hunde essenzieller Aminosäuren und schlagen so alle anderen Getreidearten um Längen (Beachte: Pflanzliches Eiweiß ist für Hunde normalerweise aufgrund der Zusammensetzung des Aminosäureprofils schlechter verwertbar als tierisches Eiweiß). Der hohe Proteingehalt macht den Hafer auch in der menschlichen Ernährung zur Sportlernahrung (speziell für Bodybuilder). In der industriellen Tierzucht dient er als Mastmittel, da die Tiere mit ihm einen hohen Körperproteinanteil ausbilden.
Fett
Der Fettgehalt des Hafers übertrifft den anderer Getreidesorten um ein Vielfaches. Im Hafer können bis zu 10 % Fett enthalten sein. Dabei ist der Anteil der ungesättigten Fettsäure Linolsäure extrem hoch. Das Fettsäureverhältnis zwischen gesättigtem und ungesättigte Fettsäuren liegt bei ca. 1:5.
Der relativ hohe Protein- und Fettgehalt prädestiniert Haferflocken somit für Arbeitshunde oder Hunde, die an Gewicht und Muskelmasse zulegen müssen. In einer beispielhaften Rationsberechnung für Schlittenhunde werden Haferflocken von Meyer/Zentek als energielieferndes Futtermittel eingesetzt (7). Auch als Bestandteil in der ersten festen Nahrung für Absatzwelpen (8), in den Rationen für Hunde mit gastrointestinalen Störungen – dazu zählen u. a. : Erkrankungen der Speiseröhre und des Magens, Sodbrennen, Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms mit Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) (9) und in den Beispielrationen für leberkranke Hunde und solchen mit Pankreasstörungen (10) werden Haferflocken empfohlen.
Kohlenhydrate
Der Stärkegehalt des Haferkorns liegt mit 65 % etwas unter dem anderer Getreidesorten. Die Kohlenhydrate des Hafers sind jedoch besonders gut aufgeschlossen. Dies geschieht durch Hafer-eigene Enzyme, die bei der Reifung entstehen und Hafer leicht verdaulich machen. Deshalb wird Hafer gerne beim Menschen als Säuglings-, Kleinkinder- und Krankenkost genutzt und Haferschleim und Haferbrei können auch bei Magen-Darm-Störungen des Hundes eingesetzt werden.
Mineralstoffe
Hafer ist besonders reich an den Mineralien Kalzium, Magnesium, Selen, Mangan
und Silizium. Der Gehalt an Eisen in Haferflocken ist oftmals doppelt so hoch wie in der gleichen Menge Rindfleisch. Der Zinkgehalt ist ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Zink kann beim Barfen u. U. ein kritisches Mineral sein (6). Es ist besonders wichtig für eine funktionierende Immunabwehr (Darm als Sitz des Immunsystems!). Zink ist damit auch besonders wichtig, wenn du einen älteren und/oder chronisch kranken Hund hast.
Vitamine
Der Gehalt an B-Vitaminen (Vitamin B1, B2 und B6) ist in Haferflocken besonders hoch.
Ballaststoffe und Präbiotika – die guten Beta-Glucane im Hafer
Beta-Glucane sind Ballaststoffe des Hafervollkorns, die vielfältige positive Eigenschaften besitzen. Als lösliche Ballaststoffe sind diese Polysaccharide, bei deren teilweiser Aufspaltung im Darm kurzkettige Fettsäuren entstehen, wertvolle Unterstützer der Darmflora. Kurzkettige Fettsäuren ernähren u. a. die Darmzellen des Dickddarms und die Darmmikrobiota und führen zu einem physiologischen pH-Wert im Darm. Die Beta-Glucane quellen stark auf, binden auf ihrem Weg durch Magen und Darm Schadstoffe und Toxine, überschüssige (Magen-)Säuren, Cholesterin und Bakterien und erleichtern deren Ausscheidung. Dies vermindert Entzündungen im Darm. Haferkleie kann bis zu doppelt soviel Beta-Glucane enthalten wie Haferflocken. Ballaststoffe sind als Präbiotika wichtig für eine gute Magen-Darm-Flora und eine gesunde Verdauung.
Saponine
Hafer enthält Saponine. Diese Stoffe verändern u. a. die Oberflächeneigenschaften von Zellmembrane und wirken so entzündungshemmend und gegen schädliche Darmpilze.
Schleimstoffe
Der Haferschleim bindet überschüssige Magensäure im Magen, hält die Magenschleimhaut geschmeidig und lindert akute Schmerzen. Schleimstoffe sind Polysaccharide und nehmen wie Beta-Glucane schädliche Stoffe auf und wirken gegen Schleimhautentzündungen.
Avenanthramide
Für die im Haferkorn enthaltenen Avenanthramide (Polyphenole und Antioxidantien) konnten reizmildernde, entzündungshemmende und juckreizstillende Effekte beschrieben werden (4).
Zubereitung, Produkte und Fütterungsempfehlung für Haferflocken in der Hundeernährung
Haferflocken, Hafergrütze, Haferschleim, Haferpopps und andere Haferzubereitungen basieren immer auf dem vollen Korn und enthalten somit auch immer die Randschichten und den Keimling des Haferkorns. Die Körner werden gedämpft und zu Flocken ausgewalzt bzw. zerkleinert oder aufgeschlossen.
Bei der Herstellung von Haferschleim werden die Flocken mit Wasser aufgekocht:
60 g Haferflocken mit 300 ml Wasser kurz aufkochen lassen – mehr Wasser ergibt mehr Schleim, den du abgießen und den Tag über separat füttern kannst. Das ergibt eine perfekte und preisgünstige Schonkost, die sich jeder schnell zubereiten kann.
Overnight Oats: Haferflocken können auch über Nacht eingeweicht werden – dies verringert den negativen Einfluss der Phytinsäure auf die Nährstoff (Mineralstoff)-Aufnahme. Dies empfehle ich, wenn Haferflocken regelmässig in den Rationen vorkommen.
Flocken können auch einfach unverarbeitet dem Nassfutter oder der BARF-Ration zugegeben werden. Einweichen in Wasser oder andere Flüssigkeit (Kochbrühe) erhöht natürlicherweise die Verdaulichkeit.
Einige Futtermittelhersteller bieten Hafermittel und Hafermischungen auch fertig aufbereitet an, bspw.: Leiky oder Napfcheck.
Wie fast immer, bevorzuge ich jedoch die ganz einfache, unverarbeitet Version: Sie ist günstiger, natürlicher und man sieht, was man wirklich füttert!
Ich gebe ca. 20 g Haferflocken (2–3 EL Tagesportion) für Lano (28 kg) uneingeweicht ins Futter. Das reicht, um ihn zufrieden, satt und glücklich zu machen!
Beachte!
Für eine getreidefreie Fütterung sind Haferflocken natürlich nicht geeignet. Auch nicht für Hunde, die besonders sensitiv auf Gluten bzw. glutenartige Proteine reagieren. Bei übergewichtigen Hunden ist Vorsicht geboten: zu viele Haferflocken sind wahre Kraft- und Energiespender, die bei zu wenig Auslauf schnell ansetzen.
Quellen:
(1) Ingeborg Muenzing-Ruef: Kursbuch gesunde Ernährung, 2001, S. 230
(6) Dr. med. J. Fritz: Hunde barfen, 2018, S. 103
(7) Meyer/Zentek: Ernährung des Hundes (2016), S. 169
(8) Meyer/Zentek: Ernährung des Hundes (2016), S. 185
(9) Meyer/Zentek: Ernährung des Hundes (2016), S. 230
(10) Meyer/Zentek: Ernährung des Hundes (2016), S. 242 und 246
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